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Angemessen oder geeignet? – So meisterst du MaComp BT 6 mit digitalen Tools

Die Angemessenheitsbeurteilung ist weit mehr als ein formaler Schritt vor dem Verkauf von Wertpapieren. Sie ist ein zentraler Bestandteil deiner Verantwortung gegenüber dem Kunden – und zugleich ein regulatorisches Muss. Gerade im beratungsfreien Wertpapiervertrieb nach § 63 Abs. 10 WpHG ist es wichtig, dass du weißt: Die Qualität deiner Angemessenheitsprüfung hängt entscheidend davon ab, wie gut du digitale Tools nutzt.

In diesem Artikel zeige ich dir, wie du die MaComp-Anforderungen aus BT 6 effektiv umsetzt – mit Systemunterstützung, gesichertem Wissen und klarer Kommunikation.


Die Angemessenheitsbeurteilung ist weit mehr als ein formaler Schritt vor dem Verkauf von Wertpapieren. Sie ist ein zentraler Bestandteil deiner Verantwortung gegenüber dem Kunden – und zugleich ein regulatorisches Muss. Gerade im beratungsfreien Wertpapiervertrieb nach § 63 Abs. 10 WpHG ist es wichtig, dass du weißt: Die Qualität deiner Angemessenheitsprüfung hängt entscheidend davon ab, wie gut du digitale Tools nutzt.

In diesem Artikel zeige ich dir, wie du die MaComp-Anforderungen aus BT 6 effektiv umsetzt – mit Systemunterstützung, gesichertem Wissen und klarer Kommunikation.

Warum digitale Tools für dich so wichtig sind

Die MaComp fordert eine systematische, nachvollziehbare und dokumentierte Angemessenheitsbeurteilung. Was heißt das für dich konkret? Du musst:

  • Informationen zu Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden einholen (BT 6.2),

  • die Plausibilität dieser Informationen prüfen (BT 6.4),

  • bei Unstimmigkeiten gezielt nachfragen,

  • und das alles revisionssicher dokumentieren (BT 6.11).

Ohne digitale Hilfsmittel wäre das kaum machbar. Moderne Tools nehmen dir nicht die Verantwortung ab – aber sie machen die Einhaltung der Vorschriften einfacher und sicherer.


Einordnung vor der Prüfung: Wann ist eine Angemessenheitsprüfung überhaupt erforderlich?

Bevor du eine Angemessenheitsbeurteilung durchführst, musst du sicherstellen, ob sie überhaupt erforderlich ist – oder ob stattdessen eine Geeignetheitsprüfung notwendig wäre. Genau hier greift BT 6.12 ein:

  • Du musst genau zwischen Beratung und Nicht-Beratung unterscheiden können.

  • Innerhalb der Nicht-Beratung ist zusätzlich zwischen reinem Ausführungsgeschäft und Angemessenheitsprüfungspflicht zu unterscheiden.

Wichtige Systemfragen und Dokumentationspflichten:

  • Hat der Kunde aktiv nach dem Produkt gefragt (Execution-only)?

  • Gab es eine persönliche Ansprache durch dein Unternehmen (z. B. E-Mail, Anruf, gezielter Vorschlag)?

  • Handelt es sich um ein komplexes Produkt? Wenn ja, ist keine reine Ausführung ohne Prüfung erlaubt.

Dein System sollte diese Kriterien abfragen und logisch verknüpfen. Das verhindert, dass du versehentlich eine falsche Einschätzung triffst und schützt dein Haus vor aufsichtsrechtlichen Risiken.

Klar definierte Verfahren helfen dir:

  • Digitale Tools führen dich durch eine strukturierte Abfrage:

    • Wurde beraten? Wenn ja → Geeignetheitsprüfung.

    • Keine Beratung → Ist das Produkt komplex? Wenn ja → Angemessenheitsprüfung.

    • Reines Ausführungsgeschäft nur bei nicht-komplexen Produkten und ohne persönliche Einflussnahme.

  • Eine systemische Trennung von Beratung, Angemessenheitsprüfung und Execution-only-Fällen ist zwingend.

1. Standardisierte Fragebögen: dein Einstieg in die Prüfung

Bevor du eine Dienstleistung erbringst, musst du Informationen vom Kunden einholen. Dabei ist es besonders wichtig, auf Selbsteinschätzungen und einfache Ja/Nein-Fragen zu verzichten. Stattdessen musst du objektive Kenntnisse und Erfahrungen über realitätsnahe Fragen abfragen.

Hier findest du zwei praxisnahe Beispiele, die genau diese Anforderungen erfüllen:


Fragebogen Beispiel 1: Beurteilung von Kenntnissen bei strukturierten Produkten

1. In welcher der folgenden Situationen könnte ein strukturiertes Produkt zu einem vollständigen Kapitalverlust führen?
(Nur eine Antwort ist richtig – Multiple Choice)
🔘 a) Wenn der zugrunde liegende Basiswert während der Laufzeit nie unter einen bestimmten Schwellenwert fällt
🔘 b) Wenn das Produkt am Ende der Laufzeit einen Kapitalrückzahlungsmechanismus enthält
🔘 c) Wenn der zugrunde liegende Basiswert während der Laufzeit unter eine bestimmte Barriere fällt und keine Kapitalschutzkomponente eingebaut ist
🔘 d) Wenn der Zinskupon regelmäßig ausgeschüttet wird

➡️ Richtige Antwort:c)

2. Was beschreibt am besten das Risiko-Rendite-Verhältnis eines strukturierten Produkts mit Barriere?
(Realitätsnahes Szenario mit eingebautem Tooltip)
Ein strukturiertes Produkt mit 3 Jahren Laufzeit zahlt 6 % Zinsen jährlich, solange der Basiswert nicht unter 60 % des Startwerts fällt. Fällt er doch, erhält der Anleger statt des Kapitals eine Barauszahlung, die dem dann aktuellen, niedrigeren Wert des Basiswerts entspricht.

Frage: Was ist das Hauptrisiko für den Anleger in diesem Szenario?
🔘 a) Zinsschwankungen auf dem Markt
🔘 b) Der Verlust des gesamten Kapitals bei Unterschreiten der Barriere
🔘 c) Eine zu geringe Verzinsung im Vergleich zum Kapitalmarktzins
🔘 d) Das Risiko, dass der Basiswert über der Barriere liegt

➡️ Richtige Antwort: b)

🔍 Wird bei der Geeignetheitsprüfung auch ein Fragebogen verwendet?

Ja – und sogar ein umfassenderer als bei der Angemessenheitsprüfung.

Der Unterschied liegt im Ziel:

  • Die Angemessenheitsprüfung fragt objektiv ab, ob der Kunde die Merkmale und Risiken eines Produkts versteht.

  • Die Geeignetheitsprüfung geht weiter: Sie prüft zusätzlich, ob das Produkt auch zur finanziellen Situation, den Zielen und der Risikobereitschaft des Kunden passt.


Fragebogen Beispiel 2: Geeignetheitsfragebogen (Beratungsfall)

1. Kenntnisse und Erfahrungen (wie bei der Angemessenheitsprüfung)

  • Welche Arten von Finanzinstrumenten haben Sie in den letzten 5 Jahren gehandelt?

  • Wie häufig haben Sie diese Produkte gehandelt?

  • Wann war Ihre letzte Transaktion mit einem komplexen Produkt?

2. Finanzielle Verhältnisse

  • Wie hoch ist Ihr frei verfügbares Anlagevermögen?

🔘 <10.000 €

🔘 10.000–50.000 €

🔘 >50.000 €

  • Welche Höhe eines einmaligen Verlustes könnten Sie finanziell verkraften, ohne dass Ihre laufende Lebenshaltung gefährdet wäre?

🔘 <5 % Ihres Vermögens

🔘 5–15 %

🔘 >15 %

3. Anlageziele

  • Was möchten Sie mit dieser Anlage vorrangig erreichen?

🔘 Kapitalerhalt

🔘 regelmäßige Erträge

🔘 Wertsteigerung

🔘 Risikoorientierte Renditechancen

  • In welchem Zeitraum möchten Sie über das investierte Kapital wieder verfügen können?

🔘 kurzfristig (<1 Jahr)

🔘 mittelfristig (1–5 Jahre)

🔘 langfristig (>5 Jahre)

4. Risikobereitschaft und Verlusttragfähigkeit

Beispiel-Szenario: „Sie investieren 10.000 € in ein Produkt mit mittlerem Risiko. Es besteht eine 20%ige Chance auf 1.500 € Gewinn in 2 Jahren, aber auch eine 10%ige Wahrscheinlichkeit, 3.000 € zu verlieren.“

Frage: Wie würden Sie reagieren?
🔘 Ich akzeptiere das Risiko.
🔘 Ich ziehe ein Produkt mit geringeren Schwankungen vor.
🔘 Ich würde dieses Produkt nicht wählen.


💼 Praxistipp: Fragebogenmodule sinnvoll kombinieren

In der Praxis kannst du die Fragen zur Kenntnis und Erfahrung aus der Angemessenheitsprüfung auch im Rahmen der Geeignetheitsprüfung wiederverwenden.

➕ Der Vorteil: Du musst die Informationen nur einmal erheben und kannst sie in der Geeignetheitsprüfung um Anlageziele, finanzielle Verhältnisse und Risikobereitschaft ergänzen.

✅ Viele Institute arbeiten mit modularen Fragebögen, zum Beispiel:

  • Modul 1: Kenntnisse & Erfahrungen (für beide Prüfungen relevant)

  • Modul 2: Anlageziele, Vermögen, Verlusttragfähigkeit (nur bei Geeignetheitsprüfung)


2. Plausibilitätsprüfung: Der digitale “Reality Check”

Ein großer Vorteil digitaler Systeme ist die automatische Erkennung von Widersprüchen. Gibt ein Kunde zum Beispiel an, noch nie gehandelt zu haben, aber will komplexe Zertifikate kaufen, wird das System dich zur Klärung auffordern.

Du bekommst also in Echtzeit Unterstützung:

  • automatische Warnhinweise bei Widersprüchen,

  • Pflichtfelder, die bei Unvollständigkeit blockieren,

  • Eskalationshinweise bei besonders risikobehafteten Produkten.

Und du kannst direkt im Gespräch oder in der Online-Strecke reagieren.


3. Dokumentation: alles lückenlos und revisionssicher

Die MaComp verlangt eine vollständige Dokumentation der Angemessenheitsbeurteilung. Dazu zählt:

  • Die Kundeninformation vorab (z. B. Hinweis auf Angemessenheitsprüfung),

  • Die Antworten des Kunden,

  • Die daraus gezogene Bewertung (geeignet/ungeeignet),

  • Ggf. eine Warnung inkl. Kundenbestätigung.

Digitale Tools verknüpfen diese Daten automatisch und speichern sie für eine mögliche Prüfung durch die Compliance-Abteilung oder Aufsicht. Auch bei Online-Transaktionen müssen Gesprächs- oder Eingabeverläufe protokolliert werden – idealerweise mit Zeitstempel und Nutzer-ID.


4. Produktklassifikation und automatische Risikoeinschätzung

Du kannst über das System direkt die Risikoklassifikation eines Produkts aufrufen. Dabei werden Produkte beispielsweise in Kategorien wie „einfach“, „nicht-komplex“, „komplex“ oder „sehr komplex“ eingeteilt. Dies erfolgt auf Basis der sogenannten Hausmeinung.

Das hilft dir bei der Entscheidung:

  • Ist das Produkt für den Kunden mit seinem Erfahrungsniveau geeignet?

  • Muss ich einen Warnhinweis aussprechen?

  • Welche Dokumentation ist in diesem Fall erforderlich?

Die Systeme müssen zudem sicherstellen, dass Produkte, die ausdrücklich von der Liste der nicht-komplexen Instrumente gemäß § 63 Abs. 11 Nr. 1 a)–e) WpHG ausgeschlossen sind, nicht fälschlich als „nicht-komplex“ eingestuft werden.


5. Schulungen und IT-Kompetenz: Bleib auf dem Laufenden

Auch wenn die Tools dir helfen – du bleibst verantwortlich für die richtige Anwendung. Deshalb gehört laut BT 6.10 zur MaComp auch die Pflicht zur regelmäßigen Schulung:

  • zu den rechtlichen Anforderungen,

  • zur Nutzung der Systeme und Fragebögen,

  • zur Interpretation von Warnhinweisen,

  • zu den Besonderheiten bei automatisierten Prozessen.

Wenn du mit Algorithmen oder Robo-Tools arbeitest, solltest du wissen, was diese tun – und was nicht. Du solltest auch wissen, wann ein Eingriff erforderlich ist oder wann eine Eskalation an die Compliance-Abteilung erfolgen muss.


Fazit: Du + System = Sicherheit für den Kunden

Die Angemessenheitsbeurteilung ist ein zentrales Element des Anlegerschutzes. Sie lebt von deinem Wissen – aber auch von deiner Fähigkeit, digitale Tools intelligent zu nutzen.

Nutze die technischen Möglichkeiten, um deinen Arbeitsalltag sicherer, effizienter und transparenter zu gestalten. Die Systeme helfen dir dabei, Fehler zu vermeiden, Risiken frühzeitig zu erkennen und sauber zu dokumentieren. Am Ende steht ein gemeinsames Ziel: der Schutz des Kunden vor unangemessenen Risiken.


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